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Borgsdorf
  Aus der Chronik des Pfarrers Bona, handschriftlich um 1714, übertragen von P. Seifert:
Bergfelde

  

Pinnow

1)   Lieget der Matri gegen Abend eine halbe Stunde Weges, und ebensoviel weiter von Berlin, hiegegen so viel näher an Oranienburg. Ist noch geringer als Hohen Neuendorf, bestehet nur aus 6 Bauernhöfen, welches ehemals auch zu Birkenwerder gehört und dem Rittergute zu Hofe gedient.

Birkenwerder
Hohen Neuendorf

2)   Nachdem es aber im dreißigjährigen Kriege gänzlich verwüstet, sind die wenigen Äcker und Wiesen so noch brauchbar gewesen, hin und wieder ausgethan gewesen, das meiste davon haben die Einwohner in Birkenwerder gehabt. Bis vor 8 Jahren ein Bürger aus Berlin, mit Namen Koch, welcher durch Lieferung des Proviants an die Moskovitische Armee in Pommern vor 2 Jahren den Titel eines Commissarii von Zaar bekommen, sich offerirt, dieses Borgsdorf aus der Asche wieder hervorzubauen. Welches auch geschehen. Hat aber alle Äcker und Wiesen zusammengezogen und einem Gute allein beigelegt, welches auch alle darauf haftende onera allein tragen muß. Die übrigen Häuser werden nur von Tagelöhnern bewohnt.

3)   Hat gleichfalls keine Kirche sondern gehört als eine Filiae zu Birkenwerder. Jedoch weil es von Pinno nur durch die Havel entschieden, gehen die Leute daselbst in die Kirche, bedienen sich auch gegen Erlegung einer kleinen Auflage desselben Kirchhauses ihre Todten daselbst zu begraben.

4)   Zwar feine Gärten, sind daselbst angeleget, so gut es das schlechte Land leiden will, einer vor dem Herren Hof gegen Morgen, in welchem der Besitzer eine neu erfundene Wassermühle angeleget, vermittelst derselben das Wasser in den ganzen Garten herumführen, und das Land welches gar leichte durstet zu tränken. Künftigen Sommern wird die Probe davon gemacht werden, wie es angehe und wie beständig es sei wird als dann die Zeit lehren.

5)   Sonst ist nicht remarquabeles daselbst anzutreffen, auch in der kurzen Zeit da es wieder erbauet gewesen, nichts sonderliches passirt.

  
 

Ergänzung zu "In den Borgsdorfer Chroniken geblättert" , OGA vom 27.6.00, Seite 7:

So richtig, wie viele historische Details dargestellt wurden und so interessant, wie sich der Artikel liest, so viele ungeklärte Fragen bleiben doch offen bzw. entstehen sogar erst beim Lesen. Für die Gründungszeit Pinnows und Borgsdorfs sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

1)   Die Ostkolonisation stagnierte im Raum des heutigen Oranienburg mehrere Jahrzehnte (ca. 1170 bis ca. 1200) nicht etwa an der Havel, sondern an der westlich von ihr gelegenen Muhre. Daraus läßt sich schließen, daß die Muhre (damals Massow oder Malsow genannt) ein leichter zu verteidigender, sprich breiterer oder  von schwerer begehbaren Ufern gesäumter Fluß war als die Havel. Damit fällt für das östlich davon gelegene Borgsdorf, das auch strategisch keine Bedeutung hatte, diese erste Phase der Kolonisation als Gründungszeit aus (bis ca. 1230). Die Muhre war noch bis ins 19. Jh. wenig nördlich von Pinnow über ein zweites Gewässer mit der Havel verbunden, das Dosse oder Lehnitzer Dosse, schließlich ebenfalls Muhre genannt wurde. Das Dreieck südlich der Dossemündung wird der erwähnte "Pinnoweswinkel" gewesen sein. Der 1412 erwähnte Ort Dossow, nach Funden wahrscheinlich am Nordufer des heutigen Autobahnsees gelegen, wurde noch vor dem 17. Jh. wüst.

2)   Die  Tatsache, daß Borgsdorf - auf einem Dünenausläufer gelegen - einen günstigen Havelübergang darstellte, beantwortet nicht die Frage, warum gerade dort die Havel überschritten werden sollte. Weder westlich von Pinnow (Sumpf)  noch östlich von Borgsdorf (Wald) existierten wichtige Ziele, die eine Verbindung erforderten. Es ist daher zu vermuten, daß Pinnow-Borgsdorf, ähnlich wie Hennigsdorf-Schönhorn, zu den Übergängen der zweiten Generation gehörte, die nicht mehr im direkten Zusammenhang mit der militärischen Eroberung standen. Zwischen 1230 und 1270 setzt man die planmäßige Besiedlung unter den Askaniern an, bei der man auch die Nutzung der Wasserwege nicht ausschließen sollte. Bis um 1300 entstanden längs der kleineren und mittleren Flüsse eine Reihe von Wassermühlen, die den Schiffsverkehr erschwerten. Da bis auf die wenigen Straßen an strategisch wichtigen Flußübergängen (Bötzow/Oranienburg, Spandau) nur Verkehrswege von lokaler Bedeutung existierten, muß die Kolonisation zu dieser Zeit bereits abgeschlossen gewesen sein. Die wirtschaftliche Sicherheit der neugegründeten Dörfer erforderte allerdings weiteren Zuzug in den folgenden Jahrzehnten.

3)   Den Ortsnamen Pinnow vom Pinnowsee (oder dem Pinnoweswinkel) herzuleiten, ist reichlich kühn. Immerhin ist menschliche Besiedlung eine Voraussetzung für die Vergabe von Flurnamen und nicht umgekehrt. Warum sollten deutsche Siedler ihrer Umgebung slawische Namen geben? Ich halte Pinnow-Borgsdorf für eine der häufig vorkommenden slawisch-deutschen Siedlungspartnerschaften, bei denen in der Nähe (bis zu etwa einem Kilometer) der bestehenden slawischen Siedlung aus ganz praktischen Gründen (Handel, Zusammenarbeit, Hilfe) deutsche Dörfer entstanden. Bekanntestes Beispiel ist Berlin-Cölln. Auch bei Beetz-Sommerfeld besteht diese Möglichkeit, wobei aber ähnlich wie bei Pinnow die späte Erwähnung von Beetz Schwierigkeiten macht. (Kietze haben übrigens eine andere Geschichte.) Daß frühe Urkunden zwar Borgsdorf, nicht aber Pinnow erwähnen, könnte auf eine absichtliche Unterschlagung noch bestehender slawischer Strukturen hinweisen, naheliegender ist aber ein zeitweises Wüstsein, wie es Mitte des 17. Jh. auch Borgsdorf erlitt, während Pinnow zur selben Zeit besiedelt war. Möglicherweise führte ein erstes Verlassen Borgsdorfs im 14. Jh. sogar zu einer Verlegung des Ortes in Richtung Pinnow bei der Wiederbesiedlung. Bei nur 5 bis 8 Gehöften reichte schon eine Mißernte, ein Feuer oder eine Seuche, von Kriegen ganz zu schweigen, um die Bevölkerung so auszudünnen, daß der Rest sein Heil lieber in den umgebenden Orten suchte.

4)   Der Ortsname Borgsdorf ist unstrittig. Es ist allgemein anerkannt, daß fast alle "-dörfer" (außer die "Neuen-dörfer") mit Personennamen gebildet wurden. Allerdings gab es Ende des 19.Jh. eine Zeit, in der es geradezu Mode war, alles aus dem slawischen abzuleiten. Im Dritten Reich war diese Tendenz natürlich gegenläufig, was jeweils zu sehr subjektiven "Erkenntnissen" führte.

Peter Seifert, Hohen Neuendorf  

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