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Kastaniensterben

Wer es nicht in den Medien mitverfolgt hat, der sah es - im Sommer 2003 schon zum zweiten Mal - an den Straßenrändern im Land Brandenburg: Unsere Roßkastanien (Aesculus Hippocastanum) sind krank. Ihr Laub verdorrt schon im Sommer und fällt zu Boden. Schuld ist die Miniermotte. Zur Zeit weiß noch keiner, ob die Bäume daran zugrundegehen oder in Zukunft "nur" kümmern. Sicher ist aber, daß es Hundertausende Bäume betrifft. Seit diesem Jahr hat die Miniermotte auch die Inseln vor der Ostseeküste erreicht, sind auch Ahornbäume und Linden betroffen. Durch die Trockenheit sind die Bäume im Juli 2003 bereits so stark geschädigt wie im August 2002. 

Manch einer wird sich noch an das Ulmensterben vor einigen Jahrzehnten erinnern. Der damals häufig vorkommende Baum (Ulmus minor, Ulmus carpinfolia) ist heute nur noch vereinzelt anzutreffen.

oben: Die B 96 a zwischen Schönfließ und Bergfelde. Deutlich ist die Grenze zwischen den kranken Kastanien vorn und den dahinter wachsenden gesunden Ahornbäumen zu sehen (Sommer 2002).

rechts oben: Licht wie im Spätherbst wirken die kranken Alleebäume schon Ende August.

rechts: Ungewöhnlich, daß die Bäume schon im Spätsommer aus den kahl gewordenen Zweigen wieder frisches Grün ausschlagen. Woanders kommt es zu einer die Bäume noch mehr schwächenden Notblüte.

Die Roßkastanie ist nicht nur ein beliebter Park- und Straßenbaum. Sie wird auch als Arzneipflanze verwendet. Und sie hat ein Geheimnis: Sie ist der einzige Vertreter ihrer Art hier und als solche ist auch ihre Herkunft nicht endgültig geklärt. Man kann sie zurückverfolgen bis in die Bergwälder in den Schluchten der westlichen Balkanhalbinsel (Albanien, Jugoslawien, Nordgriechenland). Da diese bereits zu Zeiten der Römer abgeholzt wurden, gibt es keine natürlichen Vorkommen mehr.

Hintergrund: Die Miniermotte stammt aus Südosteuropa, der alten Heimat der Roßkastanie. Sie verbreitet sich in nördlicher Richtung. In Bayern, wo sie schon vor einigen Jahren auftrat, war der hervorgerufene Schaden nicht so gravierend wie jetzt bei uns. Es ist damit zu rechnen, daß das kühlere und feuchtere Klima hier in Mitteleuropa die Bäume schwächer und anfälliger macht. Außerdem scheint es hier keine natürlichen Feinde der Miniermotte zu geben. Der Einsatz chemischer Mittel ist möglich; dem stehen aber finanzielle Probleme und gesetzliche Barrieren entgegen. Beim zuständigen Biologischen Bundesamt in Braunschweig ist noch nicht einmal ein Antrag auf Zulassung eines chemischen Bekämpfungsmittels eingegangen. Die Forschung wird Jahre brauchen, bis sie dem Problem etwas entgegensetzen kann. Zur Zeit wird empfohlen (das ist kein Witz!), das Laub sauber wegzuharken und unter einer mindestens 10 cm dicken Erdschicht zu kompostieren. Wie das an hunderten Kilometern Straßenrändern und in Parkanlagen realisiert werden soll? Das früher übliche Verbrennen des Herbstlaubes wäre die natürlichste Form der Vernichtung, würde einfacher sein und konsequenter wirken - leider ist es jetzt fast überall verboten. Das natürliche Gleichgewicht würde so aussehen, daß so viele Kastanien absterben, bis von Baum zu Baum oder von Bestand zu Bestand so große Entfernungen entstehen, daß die Miniermotte diese nicht mehr überwinden kann und ein Übergreifen so nicht möglich ist.

Achtung: Wer inmitten kranker Kastanien noch einen gesunden Baum entdecken sollte, der sollte unbedingt die Kastanienfrüchte ("Kastanien") dieses Baumes sammeln. Vielleicht haben wir Glück, und es gibt eine spontane Mutation, die gegen diesen Schädling resistent ist. Von der Miniermotte verschmäht wird nach meinen Beobachtungen die rotblühende Kastanie. Einen Hybriden zu züchten übersteigt aber wohl die Kräfte eines einzelnen...

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